Neue Prothesen nahm Eunice Wirndzem (Mitte) aus Kamerun in Kaufbeuren entgegen. Mit dabei waren Dr. Helmut Weitnauer (links), Erich Wittlinger (rechts) und Simone Hohenreiter, Präsidentin des Rotary Clubs, sowie OB Stefan Bosse. Foto: Riedle

Eunice Wirndzem hat dem Tod ins Auge geblickt. Im Kindesalter erleidet die Kamerunerin eine schwere Meningokokken-Infektion. In Afrika ist die Erkrankung mangels guter medizinischer Versorgung ein fast sicheres Todesurteil. Eine Ärztin muss der 30-Jährigen beide Unterschenkel, einen Unterarm und eine Hand amputieren. Wirndzem kämpft – und überlebt. Dass sie inzwischen ein fast normales Leben führen kann, verdankt sie zum großen Teil dem Kaufbeurer Rotary Club. Am Donnerstagabend empfing der Verein die Kamerunerin anlässlich seines Clubabends im Hotel zum Goldenen Hirsch.

Die junge Afrikanerin zeigt sich bei ihrem Besuch tief bewegt. „Sie haben so sehr mein Leben zum Guten verändert. Mir fehlen die Worte, um Ihnen angemessen für Ihre wundervolle Arbeit zu danken“, erklärt Wirndzem vor den versammelten Mitgliedern. Ihre Mutter habe Freudetränen vergossen, als sie erfuhr, dass ihre Tochter in Deutschland empfangen wird. Einen Kaufbeurer hebt die Kamerunerin in ihrer Ansprache besonders hervor: „Doc Helmut“, wie sie ihn liebevoll nennt. Gemeint ist Dr. Helmut Weitnauer, selbst Mitglied des Rotary Clubs. Als Eunice Wirndzem von Schwestern des Ordens Notre Dame aus Kanada gepflegt und versorgt wurde, baute der Zahnarzt aus Oberbeuren zur gleichen Zeit eine Zahnstation im dortigen lokalen Krankenhaus auf. Schwester Marilyn, die die Niederlassung damals leitete, stellte den Kontakt zu Weitnauer her. „2007 habe ich Eunice das erste Mal getroffen“, berichtet der Mediziner. Ihn faszinierte vor allem, was der Direktor des Gymnasiums erzählte, das Wirndzem damals besuchte: „Er sagte, sie sei die intelligenteste Schülerin, die sein Haus habe.“ Und die Bildungseinrichtung zählte immerhin etwa 1000 Kinder. Der Schulleiter berichtete weiter: Wenn der Afrikanerin jemand ermöglicht, Prothesen zu tragen, kann sie eine Universität besuchen. Dass Frauen wie Wirndzem, die aus der ärmsten Region Kameruns stammen, studieren gehen, ist laut Helmut Weitnauer alles andere als selbstverständlich.

Neue Prothesen nach acht Jahren

Ihn lässt die Sache nicht mehr los. Er schildert den Fall den Kaufbeurer Rotariern. Die Mitglieder sind entschlossen, zu helfen. Erich Wittlinger, Geschäftsführer des gleichnamigen Sanitätshauses und Mitglied des Vereins, fertigt 2008 einen Satz Prothesen. Wirndzem besucht damals zum ersten Mal Deutschland, Wittlinger passt für sie die Prothesen an. Jetzt, nach fast acht Jahren, braucht sie neuen Ersatz für ihre amputierten Beine. Wieder hat sie der Kaufbeurer Orthopädiemeister hergestellt. „Die neuen Prothesen haben einen Gesamtwert von etwa 15 000 Euro“, berichtet Wittlinger. Rund 5600 Euro übernehmen die Rotarier, den Rest zahlt der Unternehmer aus eigener Tasche.

Erfolgreich studiert

Doch der Club ermöglichte der Kamerunerin nicht nur, wieder richtig laufen zu können: Mit Hilfe der Kaufbeurer schloss die 30-Jährige auch ihre Schulausbildung und ein wirtschaftswissenschaftliches Studium erfolgreich ab. Inzwischen arbeitet sie für die Hilfsorganisation Chalice, die sich um gut 1200 Waisenkinder kümmert. Wirndzem ist insbesondere für das Rechnungswesen zuständig. „Es ist angedacht, dass Eunice dort einmal die Leitung übernimmt“, erzählt Helmut Weitnauer. Doch von diesem Plan, so verrät er, wisse die junge Frau bislang nichts. Sie ist noch überwältigt von der Hilfe der Vereinsmitglieder aus der Wertachstadt: „Sie sind wie eine Familie für mich. Möge Gott sie und all ihre Familienmitglieder mit guter Gesundheit und einem langen Leben segnen.“

 

Von Dominik Riedle

©Allgäuer Zeitung Kaufbeuren 2016